Emotional Design macht den Unterschied

Wie Emotional Design dein Produkt von anderen abhebt

Anita Jacob-Puchalska
Behavioral Design Playbook

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Emotional Design als Unterschied im Wettbewerb

Überall, ob in den Medien, der Politik oder der Werbung, werden Emotionen genutzt, um unser Handeln zu beeinflussen. Wer es schafft, Emotionen bei den Menschen hervorzurufen, schafft es auch seine eigenen Interessen zu vertreten. Das Internet ist voller Klickbait-Headlines, auf die jeder von uns zumindest hin und wieder hereinfällt. Boulevardzeitungen heizen Emotionen an zur Auflagensteigerung. In der Politik werden negative Emotionen instrumentalisiert, um populistische Ideologien zu verbreiten. Werbung ruft gezielt positive Emotionen hervor um Aufmerksamkeit zu erregen oder das Produkt mit etwas Positivem zu verknüpfen. Es ist alles recht, was die Verkäufe ankurbelt.

Wir werden von allen Seiten manipuliert. Das ist freilich nichts Neues, doch: Warum nutzen wir Emotionen nicht häufiger als ein Mittel um Menschen zu helfen? Um zum Beispiel digitale Produkte so zu designen, dass sie gern benutzt werden, während sie ihren Zweck erfüllen? Oder unsere menschlichen Schwächen ein wenig ausgleichen in unserem eigenen Interesse?

Was ist Emotional Design?

Um es mal auf die Essenz herunterzukochen: Beim Emotional Design geht es darum, eine Verbindung zwischen dem Nutzer und dem Produkt auf emotionaler Ebene herzustellen. Meistens geht es dabei um Freude und andere positive Emotionen, die hervorgerufen werden können durch Dinge wie Überraschungen, niedliche Animationen oder Belohnungen für eine bestimmte Tätigkeit. “Emotionen sind ein fundamentaler Teil von unserer Identität als Menschen”, schreibt Aaron Walter in seinem Buch “Designing for Emotion”. Für ihn ist das primäre Ziel von Emotional Design, die Interaktion mit Technologie möglichst menschlich zu gestalten. Statt einer Mensch-Maschine-Interaktion soll die Benutzung viel mehr einer Mensch-Mensch-Kommunikation gleichkommen, also viel natürlicher und intuitiver gestaltet sein. Das ist wichtig, damit die Nutzer mit dem Produkt eine Verbindung eingehen können.

Geprägt wurde der Begriff Emotional Design bereits 2005 von Don Norman, einem der Gründer der sehr angesehenen Nielsen Norman Group. In seinem Buch “Emotional Design: Warum wir manche Dinge lieben (oder hassen)” spricht er davon, wie Menschen zu einigen Dingen in ihrem Alltag eine emotionale Verbindung aufbauen. Er schreibt, dass attraktive Dinge letzten Endes in unserer Wahrnehmung auch besser funktionieren, da schöne Dinge in unserem Gehirn positive Empfindungen erzeugen und somit unsere kognitiven Fähigkeiten verbessern. Der Zusammenhang wurde in einer Reihe von Studien bestätigt und birgt eine Reihe von Implikationen, auf die ich an anderer Stelle noch mal genauer eingehen werde.

Wo kann ich Emotional Design einsetzen?

Nie war es einfacher als im digitalen Produktdesign die gesamte Umgebung zu designen, in der ein Produkt verwendet wird. Experience Designer gestalten die gesamte Erfahrung, die ein Nutzer mit einem Produkt hat.

Die Einsatzgebiete, im Experience Design auch Emotionen zu verknüpfen, sind denkbar vielfältig. So kann Emotional Design Menschen dabei helfen, sich gesünder zu ernähren, mit dem Rauchen aufzuhören oder regelmäßig zu meditieren. Emotional Design kann Menschen dazu bringen, weniger Plastik zu verwenden oder Strom zu sparen. Richtig angewendet, können Belohnungen beispielsweise an der richtigen Stelle unsere Motivation ankurbeln. Da es mitunter auch darum geht, Menschen zu einem für die Gesellschaft besseren Verhalten zu motivieren, lohnt sich auch ein Blick in Richtung Behavioral Design. Emotionen im Produktdesign können uns also damit helfen, uns zu Dingen zu motivieren, die wir zwar erreichen wollen, wir aber auf dem steinigen Weg dorthin scheitern.

Ein weiterer Bereich bietet eine Reihe an Einsatzmöglichkeiten für Emotionen im Design: Monotone Tätigkeiten. So kann Emotional Design dabei helfen, diese Routinetätigkeiten weniger belastend zu gestalten und wirken zu lassen. Monotone Tätigkeiten sind also alles, das mit ständigen Wiederholungen einher geht, sei es die klassische Fließbandarbeit, die (noch) nicht automatisiert werden kann oder Dinge, die vorrangig die Anwesenheit von jemandem erfordern.

Wie nutze ich Emotional Design?

Der Mensch ist ein Mysterium und lässt sich natürlich nicht einfach programmieren. Für das Gestalten von Emotionen im Design braucht man jede Menge Fingerspitzengefühl und ein solides Wissen in Psychologie und kognitiven Wissenschaften.

Bevor Emotionen im Design in einem digitalen Produkt ihre gewünschte Wirkung entfalten können, muss das Produkt drei grundlegende Kriterien ohne Abstriche erfüllen:

  • Das Produkt muss funktional sein und einen Nutzen für den User haben. Es muss also ein Problem für den Nutzer lösen, ein Bedürfnis von ihm erfüllen, oder einen anderen klar erkennbaren Wert aufweisen. Anders gesagt: Der Nutzer braucht einen guten Grund, das Produkt zu benutzen.
  • Das Produkt muss verlässlich sein. Das Produkt funktioniert also so, wie der Nutzer es aufgrund von gängigen Konventionen erwartet. Es gibt keine bösen Überraschungen.
  • Das Produkt muss benutzbar sein, also eine gute Usability haben. Der Nutzer muss ohne große Barrieren in der Lage sein, das Produkt intuitiv zu benutzen. Das erreicht man über ein durchdachtes und einfaches User Interface, das nur einen geringen kognitiven Aufwand vom Nutzer verlangt.
Hierarchie der Nutzerbedürfnisse nach Aaron Walter im Emotional Design

Die Hierarchie der Nutzerbedürfnisse von Aaron Walter: Funktionalität, Verlässlichkeit, Benutzbarkeit und Freude; aus seinem Buch “Designing for Emotion”.

Erfüllt das Produkt eines der Kriterien nicht, so nutzt auch jedes Emotional Design nichts. Werden die Nutzer beispielsweise verärgert, weil sie nur aus einem Versehen heraus Aktionen ausführen, die sie noch dazu nicht rückgängig machen können, so bringt auch der lustig animierte Konfettiregen nach dem Löschen einer gerade mühsam erstellten Playlist nichts.

Erst wenn das Produkt funktional, verlässlich und benutzbar ist, sollte man darüber nachdenken, wie man Mechanismen für positive Emotionen ergänzen kann, oder anders gesagt: Wie man die Cocktailkirsche am besten platziert, um dem Nutzer eine Freude zu machen. Mehr dazu beschreibt Aaron Walter in seinem Buch “Designing for Emotion”.

Drei Auswirkungen auf die Nutzer

Es gibt vielerlei Gründe, sich mit Emotional Design zu beschäftigen. Hier sind drei der wichtigsten Auswirkungen, die Emotional Design auf die User haben kann — vorausgesetzt, es wird richtig angewendet:

Die Nutzer lieben das Produkt.

  • Sie haben Freude daran, das Produkt zu benutzen. Sie sprechen darüber mit Freunden und kommen wieder. Produktteams unterschätzen häufig massiv den Effekt von einem glücklichen Nutzer auf den Businesswert des Produkts.

Die Toleranz gegenüber Fehlern steigt.

  • Menschen in einer positiven Stimmung tendieren dazu, Dinge auch positiver wahrzunehmen. Werden die Nutzer erfreut, überrascht oder anderweitig positiv gestimmt, so verzeihen sie leichter kleine Macken oder andere Mängel im Produkt. Ein gutes Beispiel ist die Dinoanimation im Chrome-Browser, wenn die Verbindung zum Internet fehlt.

Emotionen sind stärker als Rationalität.

  • Die rechte Gehirnhälfte, also der subjektiv-kreativ-emotionale Teil, übertrumpft häufig die linke Gehirnhälfte, also den objektiv-analytisch-rationalen Teil. Wir kaufen manche Dinge, weil wir sie einfach haben wollen und sie begehrenswert sind, obwohl der rationale Teil im Gehirn sagt: Das ist zu teuer. Wir entscheiden uns für Produkte, an denen wir Freude haben.

Der Wert von Emotional Design fürs Unternehmen

Der Mehrwert von Emotionen im Design für das Produkt bzw. das Unternehmen wird von Produktteams häufig übersehen. Häufig sind Zeitpläne wahnsinnig eng gestrickt, in denen Webseiten und Apps fertiggestellt werden sollen. Da bleibt wenig Zeit für einen Feinschliff, zumal Elemente, die Freude beim Nutzer schaffen sollen, nicht zu den Top-Priotäten gehören und gern auf später verschoben werden; wichtiger ist schließlich, das Produkt funktional und benutzbar zu machen.

Leider wird häufig übersehen, dass Konzepte mit Elementen, die positive Emotionen schaffen, selbst einen signifikanten Wert schaffen Allzuoft werden für fertige Produkte große Werbebudgets benötigt, um Nutzer zu gewinnen. Nutzer, die nicht unbedingt wiederkommen, weil das Produkt im Vergleich zu anderen wenig Mehrwert bietet und sie auch keinerlei emotionale Verbindung aufbauen konnten.

Im Zweifel für die Freude

Nutzer jedoch, die positive Erfahrungen gemacht haben oder das Produkt gar lieben, kommen wieder, ohne dass sie über kostspielige Werbemaßnahmen hergelockt werden müssen; Stichwort Retention Rate. Angesichts der schier endlosen Konkurrenz helfen Emotionen im Design letzen Endes dabei, die Geschäftsziele zu erreichen.

Erfolgreiche Produkte, wie Slack oder Duolingo, zeigen jedoch, dass eine freudestiftende Nutzererfahrung einen relevanten Wert schafft, der den Unterschied macht zur langweiligen Konkurrenz, die mit einem sehr ähnlichen Produkt auf dem Markt ist, es allerdings nicht versteht, positive Emotionen bei ihren Nutzern hervorzurufen.

Wichtig ist, dass das Wissen aus Psychologie, Verhaltensökonomie und den Neurowissenschaften genutzt werden, um dem Menschen einen tatsächlichen Nutzen zu bieten, nicht um sie für eine höher Conversion zu manipulieren. Produktdesigner haben hierfür die Mittel in der Hand, um Technologien zu gestalten, die angenehm zu benutzten sind, Freude schaffen und den Menschen das Leben erleichtern oder versüßen.

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